Aus dem Parlament – Was läuft in der Bülacher Politik – Budget 2025

Die diesjährige Budgetsitzung im Stadtparlament hatte es in sich. Das Resultat daraus ist aus unserer Sicht ein absolutes Trauerspiel. Die Sitzungen dauerten an zwei Abenden bis gegen 11 Uhr abends.
Auch bei der Budgetsitzung kann es fürs Föifi und s Weglli langen - unser Appell für Kompromissbereitschaft und Besonnenheit verhallte leider ungehört
Auch bei der Budgetsitzung kann es fürs Föifi und s Weglli langen - unser Appell für Kompromissbereitschaft und Besonnenheit verhallte leider ungehört

Das wichtigste in Kürze

Die vielen Stunden, welche wir vorab in der Fraktion und in den Fachkommissionen investiert hatten, um das Budget zu prüfen und zu hinterfragen, übersteigen diese um ein Vielfaches. Leider war der Erfolg bescheiden: Die bürgerliche Ratshälfte, unterstützt von der GLP und der Mitte, legte am Samstagmittag vor der Budgetsitzung über dreissig grösstenteils unbegründete und teilweise haarsträubende Kürzungsanträge vor.

Leider gelang es uns nur in wenigen Fällen, gemeinsam mit den Grünen, der EVP und einer Stimme aus der GLP, dagegenzuhalten. Es war knapp, sehr knapp. In vielen Fällen machte nur eine Stimme den Unterschied, und auch dem Parlamentspräsidenten ist in einigen Pattsituationen der Stichentscheid zugefallen. Als FDP-Mitglied hat er dabei bedauerlicherweise jeweils die Änderungsanträge der bürgerlichen Ratshälfte des Stadtparlaments unterstützt.

 

 

Schlussendlich wurden von der bürgerlichen Mehrheit 1,5 Millionen Franken zu den bereits vorgeschlagenen Sparmassnahmen des Stadtrates aus dem Budget gestrichen, womit die Erfolgsrechnung mit einem Budgetüberschuss von 5,6 Millionen Franken abschliesst. Gleichzeitig wurde der Steuerfuss um 4 % erhöht. Diese Gleichzeitigkeit lässt sich mit Blick auf das Alltagsgeschäft nicht erklären, sondern hängt mit den immensen anstehenden Investitionen zusammen. Wir sind sehr froh, dass die seit langem notwendige Steuererhöhung zur Deckung der Investitionskosten endlich vom Parlament bewilligt wurde. Das ist zumindest ein (sehr) kleiner Trost.

Anne-Christine bei ihrem Votum zur Verpflichtung zur Umsetzung UNO Behindertenrechtskonvention
Anne-Christine bei ihrem Votum zur Verpflichtung zur Umsetzung UNO Behindertenrechtskonvention

Was ist genau passiert?

 

Bereits in den Monaten vor der Budgetsitzung haben wir intensiv mit allen Fraktionen über das kommende Budget diskutiert. Auch der Stadtrat stellte einen Nachantrag mit einer Budgetverbesserung von rund 900’000 Franken. Dazu kamen Anträge aus diversen Fachkommissionen, die moderate Kürzungen von insgesamt rund 350’000 Franken vorsahen. Mit diesen Anträgen konnten wir in vielen Fällen gut leben, da die Begründungen nachvollziehbar waren und die Ausarbeitung von Kompromissen erlaubten.

 

 

Einige Parlamentarier:innen, angeführt von der SVP und FDP, reichten jedoch zwei Tage vor der Sitzung weitere pauschale Kürzungsanträge in Höhe von rund 1,2 Millionen Franken ein – ohne tiefere Begründung, ausser dass « eine Reduktion problemlos möglich sein müsse, wenn man nur wolle ». Auch das Argument, dass die Kosten der Verwaltung ungebremst wachsen würden, entbehrt mit einem Blick auf die Zahlen jeglicher Grundlage. Die Kosten pro Einwohner:in sind bei uns seit Jahren stabil und im Vergleich zu anderen Gemeinden deutlich unterdurchschnittlich. Sachbasierte Politik sieht aus unserer Sicht anders aus. Dass sich zwei GLP-Mitglieder und eine Politikerin der Mitte vor den bürgerlichen Karren spannen liessen, finden wir unverständlich – insbesondere, da die Mitte-Parteien stets betonen, Argumente fundiert prüfen und abwägen zu wollen.

 

 

Wir sehen das Problem nicht nur in den einzelnen Kürzungen selbst, sondern darin, wie diese Kürzungen eingebracht wurden. Statt sich in den Kommissionen mit den Konsequenzen der Kürzungen auseinanderzusetzen, wurde pauschal ohne fundierte Argumente der Rotstift angesetzt. Dass SVP-Exponenten dann noch behaupten, es sei gar nicht die Idee, dass sich das Parlament in dieser Tiefe mit dem Budget auseinandersetzt, ist für uns gelinde gesagt befremdlich und eine Einladung für schludrige Parlamentsarbeit.

 

 

Die Wünsche der Bürgerlichen nahmen bisweilen besorgniserregende Auswüchse an – denen wir entschieden entgegentraten. So forderte die FDP allen Ernstes, dass die Stadt Bülach sich nicht der UNO-Behindertenrechtskonvention verpflichten soll, weil « es zu teuer werden könnte ». Notabene einer Konvention, die von der Schweiz auf Bundesebene ratifiziert wurde. Das Votum von Anne-Christine Halter aus unserer Fraktion zeigte jedoch glücklicherweise Wirkung, und so wurde dieses Ziel schlussendlich knapp beibehalten. Wir sind aber tief besorgt darüber, dass die knappe Mehrheit von einer Stimme auch hier den Ausschlag gab und sieben Personen sich nicht schämten, Geld höher zu gewichten als die Umsetzung grundlegender Menschenrechte. Fünf Personen mit einer Enthaltung zeigten zudem, dass ihnen Solidaritat auch kein Anliegen ist.

 

 

Ein paar kleine Lichtblicke gab es dennoch: So fanden die meisten Kürzungen im Bereich Soziales keine Mehrheit, und die Flüchtlings- und Asylkoordination sowie die sozialen Dienste kamen mit einem blauen Auge davon – einzig die KESB muss zusätzliche Kürzungen hinnehmen. Auch die Abteilungen Planung und Bau, die die Stadtentwicklung vorantreiben, sowie die Forstwirtschaft, die unter anderem das Biodiversitätskonzept umsetzen will, kamen mit verkraftbaren Kürzungen davon.

Kleiner Trost der Steuern

 

Das eigentliche Ziel von SVP und FDP hinter den massiven Budgetkürzungen zeigte sich dann bei der Abstimmung über den Steuerfuss: SVP und FDP wollten ein weiteres Jahr die lange dringend nötige Steuererhöhung verhindern! Dieses kurzfristige Denken hat sich zum Glück nicht durchsetzen können, und wir können endlich damit beginnen, für die grossen anstehenden Investitionen zu sparen. Die Steuererhöhung hilft Bülach, den Selbstfinanzierungsgrad zu erhöhen und behält die Stadt dann auch langfristig operativ handlungsfähig, wenn die Umsetzung der grossen Projekte ins Haus steht.

Und jetzt?

Am Schluss der Budgetdebatte bestand in unserer Fraktion Uneinigkeit darüber, ob wir das massiv zusammengestrichene Budget nun annehmen sollten oder nicht. Im Vorfeld hatten wir uns klar gegen die Ablehnung des Budgets als Drohgebärde gestellt, nach der Debatte über die einzelnen unsorgfältigen Kürzungen hatten wir jedoch gute Gründe, dem Gesamtbudget, so wie es am Schluss dastand, nicht zuzustimmen – waren wir doch mit fast keiner Produktgruppe einverstanden. Die Fraktion teilte sich in zwei Hälften, und das Budget wurde schlussendlich mit grosser Mehrheit angenommen. Natürlich sind wir auch froh, dass damit ein Notbudget vom Tisch fällt. Was die Pauschalkürzungen jedoch für Folgen haben werden, wird sich für die Bülacher:innen bald zeigen: Höhere Eintrittspreise in der Freibadi und Hirslen werden kommen, und die massiven Kürzungen bei der Bildung – allen voran bei der schulergänzenden Betreuung – dürften ebenfalls nicht folgenlos bleiben. Auch in vielen anderen Abteilungen der Stadt Bülach wird sich bald zeigen, was es bedeutet, wenn neue Stellen nicht mehr geschaffen werden können, obwohl die Arbeitslast stetig steigt. Welche Konsequenzen die Angestellten der Stadt individuell nach dieser pauschalen Abstrafung ihrer Arbeitsleistung für sich selbst ziehen, ist schwer vorherzusagen.

 

 

Auch wenn es einen Moment dauern wird, bis wir die Budgetsitzung verdaut haben: Auch nach dieser Streichorgie werden wir nicht aufhören, uns für eine Politik einzusetzen, die für Solidarität untereinander steht. Statt Polemik und Gepolter wollen wir uns für fundierte Sachpolitik starkmachen! Wir bleiben dran und werden nach der Winterpause mit neuer Energie wieder im Parlament auftreten. Jetzt erst recht!